Abschlussinterview mit dem abtretenden Kommandanten Joel Löpfe
Wie lange warst du als Kommandant der RZSO Olten aktiv?
Genau drei Jahre. Ich habe am 01. November 2021 als Zivilschutzkommandant der RZSO Olten begonnen und per 31.10.2024 aufgehört.
Wie lange warst du insgesamt im Zivilschutz und welche anderen Funktionen hast du in dieser Zeit wahrgenommen?
Fangen wir am Besten einfach im Jetzt an und arbeiten uns zurück. Ich bin auch jetzt noch im Zivilschutz tätig und werde der RZSO Olten sicher noch für die kommenden fünf Jahre in der Rolle als Kommandant der Stabskompanie oder nach Bedarf des neuen Kommandanten erhalten bleiben, weil ich noch bis 40 milizpflichtig bin. Die drei Jahre vor meinem Antritt als Batallionskommandant von 2018 bis 2021 war ich als Zivilschutzinstruktor beim Kanton tätig. Dabei habe ich sozusagen als Erwachsenenbilder in den Bereichen Führungsunterstützung sowie Betreuung fungiert, dabei unter anderem Kaderkurse durchgeführt und auch in anderen Bereichen als Co-Instruktor unterstützt. Während dieser Zeit war ich aber stets auch in der RZSO Olten tätig, wie seit etwa meinem 20. Lebensjahr. Leider habe ich jedoch mein Dienstbüchlein gerade nicht zur Hand, um das exakt benennen zu können (lacht). Dort habe ich meine Zivilschutzkarriere als Gruppenführer Betreuer begonnen.
Wie hast du die Zeit als Kommandant erlebt?
Ich habe meine Zeit als Kommandant als sehr abwechslungsreich und spannend, konstruktiv und kameradschaftlich erlebt. Besonders geschätzt habe ich dabei den Austausch mit den AdZS (Angehörigen des Zivilschutzes) über alle Stufen – vom Soldaten bis zum obersten Kader. Für mich steht der Mensch stets im Zentrum. Das gilt für alles was ich mache. Da spricht sicherlich auch ein wenig der Psychologe aus mir, aber es ist schlicht auch meine Art, den Fokus auf die Menschen zu legen. Nebst den AdZS beinhaltete das auch unterschiedliche Mitarbeitende beim Kanton, Gemeindepräsidenten und Gemeinderäte bis hin zum Regierungsrat, etwa in den verschiedenen Kommissionen und Arbeitsgruppen, aber auch den regionalen Führungsstab. Es war für mich besonders schön, in dieser Funktion mit all den verschiedenen Anspruchsgruppen interagieren und zusammenarbeiten zu können und dabei unterschiedlichste Aufgaben wahrzunehmen.
Gab es in dieser Zeit ein Highlight und ein Lowlight?
Das ist eine sehr gute Frage (schmunzelt). Ich durfte jede Menge Highlights erleben, es ist mir daher kaum möglich, hier eines davon herauszupicken. Für mich persönlich ist die gute Zusammenarbeit mit so vielen unterschiedlichen Menschen in all meinen Aufgaben sicher ein Highlight gewesen. Das hat sich insbesondere dann geäussert, wenn ich die Wiederholungskurse der Fachbereiche besucht habe. Zu Beginn waren die Teilnehmer häufig etwas skeptisch und konnten mich nicht so richtig einordnen, mit der Zeit haben sie jedoch gespürt, dass ich einer von Ihnen bin und haben sich geöffnet.
Ein Lowlight ist für mich eine Aufgabe, die ich leider nicht abschliessend erledigen konnte. Nebst meiner Hauptaufgabe als Kommandant hatte ich zusätzlich den Hut als Stabschef auf. In dieser Funktion hätte ich sehr gerne eine grossangelegte Übung für den regionalen Führungsstab durchgeführt. Aufgrund diversen Umständen blieb mir dies während meiner Amtszeit jedoch verwehrt. Ein weiteres Lowlight war der tragische Verlust eines jungen Zivilschützers, welcher zugleich ein Freund von früher gewesen ist. Sein Tod hatte zwar nichts mit dem Zivilschutz zu tun, dennoch fehlt er trotzdem als Kamerad im Einsatz.
Du bist jung, eine neue Generation Kommandant und entsprichst mit deinen Tattoos vielleicht nicht dem Bild, welches viele von der obersten Führung einer regionalen Zivilschutzorganisation haben. Denkst du, du wurdest deswegen anders behandelt?
Eine sehr spannende Frage! Nein, ich wurde nicht anders behandelt. Bestimmt nicht im Zivilschutz. Ich hatte keine Sekunde lang das Gefühl, dass ich von AdZS anders behandelt worden bin. Es hat möglicherweise für etwas Verwunderung gesorgt, wenn ich dann mal die Jacke ausgezogen habe und meine Tätowierungen sichtbar geworden sind, da manche möglicherweise ein anderes Bild von einem Kommandanten hatten. Das hat sich aber nie in irgendeiner Form negativ geäussert. Auch bei Politikern, der Kommission und Anderen bin ich deswegen nie auf Ablehnung gestossen.
Was war rückblickend die grösste Herausforderung? Gibt es etwas, das du in deinen drei Jahren erreicht hast, worauf du besonders stolz bist?
Ich bin besonders stolz darauf, dass sich unsere RZSO weiterentwickelt hat. Sie ist “vorwärts gekommen”. Wir sind heute einsatzbereiter und konnten das Fachwissen verstärken und verbreitern. Zudem hat aus meiner Sicht ein Kulturwandel stattgefunden. Es sind mehr Leute mit spürbar mehr Einsatzfreude eingerückt. Sie haben die Sinnhaftigkeit ihrer Einsätze und Wiederholungskurse verinnerlicht.
Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass wir andere Einsätze, bei denen unsere Kernkompetenzen im Vordergrund standen, wahrnehmen konnten – nicht zuletzt auch aufgrund Veränderungen auf kantonaler Ebene. Natürlich hatte auch die Corona-Pandemie einen erheblichen Einfluss auf die Wahrnehmung des Zivilschutzes. Nicht nur die Medien und die Bevölkerung haben gesehen, was wir im Ernstfall zu leisten vermögen, sondern auch jeder AdZS konnte eine Verbindung zwischen seinem zivilen Leben und seiner Funktion im Zivilschutz herstellen. Das war eine Sinnvermittlung durch das echte Leben. Dies war vor allem zu Beginn meiner Zeit als Kommandant besonders spürbar. Die für mich grösste Herausforderung war der Wandel vom Ausbilder zum Kommandanten. Die Ausbildung ist auch als Kommandant ein Schlüsselelement, aber ich musste lernen zu delegieren. Es war nicht mehr meine Aufgabe, die Ausbildungen zu planen und durchzuführen, sondern dafür zu sorgen, dass die Ausbildungen in den Fachbereichen stattfinden, eine vorzeigbare Qualität aufweisen und damit den Zweck (Einsatzbereitschaft durch Erfüllung der Leistungsaufträge) erfüllen. Delegieren ist eine Aufgabe der Führung, und nebst dieser musste ich auch andere Führungsaufgaben erlernen wie Entscheidungen zu treffen und die Verantwortung dafür zu übernehmen, aber auch unpopuläre Meinungen oder heikle Themen anzusprechen.
Welche persönlichen Werte hast du in deiner Rolle als Kommandant vertreten?
Ich habe mich stets sinnbildlich als Captain einer Eishockeymannschaft gesehen. Ich bin klar Bestandteil des Teams, habe aber eine andere Rolle als die anderen Teammitglieder. Dabei pflege ich einerseits denselben wertschätzenden und kollegialen Umgang mit dem Team wie alle meine Teammitglieder, andererseits ist mein Beitrag zum gemeinsamen Erfolg jedoch nicht die Punkte selbst zu erzielen, sondern die Führung des Teams. Durch mein positives Menschenbild habe ich Chancen erkannt und vermittelt, den Menschen wertschätzend behandelt und die individuellen Stärken zu fördern und einen geeigneten Umgang mit den Schwächen zu finden. Dabei waren mir Ehrlichkeit und Direktheit stets überaus wichtig – sowohl von mir wie auch von meinem Gegenüber.
Wie hat sich der Zivilschutz in deiner Zeit als Kommandant verändert?
Der Zivilschutz ist im Wandel. Das hat nicht erst mit meiner Ernennung zum Kommandanten begonnen, sondern weit vorher. Es gab auch im Kanton Veränderungen. Insbesondere nach der Corona-Pandemie erlebte der Zivilschutz eine Art Neustart.
Zu Beginn deiner Amtszeit hast du auf die Herausforderung der abnehmenden Anzahl an Zivilschützern hingewiesen und dass dadurch die Zivilschützer mehr Aufgaben wahrnehmen müssten und multifunktionaler werden. Wie hat sich dies in den vergangenen drei Jahren verändert / gezeigt? Welche Auswirkungen sind davon spürbar?
Vorneweg gilt es anzumerken, dass ich es nicht geschafft habe, unseren Bestand zu stabilisieren. Dies lag schlichtweg ausserhalb meines Einflussbereichs. Jedoch konnten wir als RZSO die Auswirkungen minimieren, indem wir begonnen haben uns von Fachspezialisten zu Generalisten zu transformieren. Unser Wissen ist breiter aufgestellt und im Ernstfall können AdZS transversaler eingesetzt werden. Hier möchte ich das Kader auf Stufe Gruppen- und Zugführer als Beispiel nennen. Diese Kaderstufen sind in der Lage, von einem Problem zu einer Lösung zu gelangen und entsprechende Befehle zu erteilen. Da sie den Grundmechanismus verinnerlicht haben und das nicht nur in den Fachbereichen sondern übergreifend geübt worden ist, können wir das Kader breiter einsetzen. Auf Stufe Soldaten sind wir nach wie vor an derselben Transformation. Die Betreuer sind heute bereits in der Lage, Stromgeneratoren und Pumpen zu bedienen und einzusetzen. Mithilfe von kombinierten WKs zwischen Pionieren und Betreuern wird dieses breitere Wissen weiter gefördert. Wir sind aus meiner Sicht also auf dem richtigen Weg, jedoch längst noch nicht am Ziel.
Was sind deine Beweggründe, dass du dich beruflich weiterentwickeln wirst?
Ich bin eine Person, die sich grundsätzlich immer weiterentwickeln möchte. Sei es im Job oder auch in persönlichen Bereichen. Für mich hat sich eine Möglichkeit ergeben, nach der ich nicht explizit gesucht habe, als ich auf sie gestossen bin. Man kennt den Spruch “Gelegenheit macht Diebe”, aber Gelegenheiten machen eben auch viel Positives. Möglicherweise hat mich meine persönliche Entwicklung in den letzten Jahren oder auch der Abschluss meines Masterstudiums dazu ermutigt, die sich mir bietende Gelegenheit zu nutzen, obschon ich sehr gerne noch einige Jahre in meiner Rolle als Kommandant weitergewirkt hätte. Ich verlasse den Posten als Kommandant also durchaus auch mit einem weinenden Auge, während das andere freudig auf die neue Herausforderung blickt.
Bleibst du dem Zivilschutz in anderer Funktion weiterhin erhalten?
Ja, wie eingangs bereits beschrieben in der Rolle als Kompaniekommandant der Stabskompanie. Damit kann ich eine Lücke im Organigramm füllen und habe sowohl eine klar definierte Funktion wie auch Einstufung. Das ermöglicht mir sowohl die wichtigen internen Anlässe, aber auch diejenigen beim Kanton und Bund zu besuchen sowie meine Erfahrungen weiter einzubringen. Es war mir wichtig, mich “richtig” und in den ordentlichen Strukturen weiter engagieren zu können und nicht eine “halbgare” Lösung für meine restliche Dienstzeit zu schaffen. Zudem möchte ich aber den Bedürfnissen des neuen Kommandanten gerecht werden und eine Rolle einnehmen, die ihm zudient
Wirst du deine Erfahrungen und Erlebnisse im Zivilschutz in deiner neuen Rolle in der RZSO verwenden können?
Davon bin ich überzeugt. Als Stabskompaniekommandant werde ich eine Menge Aufgaben in der Führungsunterstützung wahrnehmen. Diesen Bereich habe ich lange ausgebildet und ich konnte etliche Erfahrungen sammeln, welche ich nun weiter einbringen werden kann. Da ich zusätzlich auch im Kommandostab erhalten bleibe, werde ich im Ereignisfall weiterhin beratend unterstützen können. Damit kann die RZSO Olten von meinen Kenntnissen und meinem Netzwerk profitieren.
Welches sind die grössten Herausforderungen, die der nächste Kommandant angehen muss?
Matthias wird ebenso wie ich eine Doppelfunktion haben. Er wird nicht nur Kommandant, sondern zugleich auch Stabschef sein. Er wird beide Aufgaben mit denselben Stellenprozenten wie ich stemmen müssen. Er ist ein sehr gut ausgebildeter Zivilschützer, hat jedoch noch wenig Erfahrung im regionalen Führungsstab. Es wird herausfordernd sein, seinen Einsatz für beide Bereiche optimal aufeinander abzustimmen. Eine zusätzliche Herausforderung könnte das stark politisch getriebene Umfeld sein. In der Privatwirtschaft mahlen die Mühlen üblicherweise etwas schneller. Hier wird sich Matthias vermutlich eingewöhnen müssen. Auf seine Tätigkeit im Zivilschutz bezogen wird auch Matthias mit den Bestandsrückgängen konfrontiert sein. Hier gibt es noch nicht die eine ultimative Lösung und Matthias wird sich vermutlich weiter für multifunktionalere Zivilschützer engagieren müssen, um die Leistungsaufträge mit weniger Ressourcen dennoch erfüllen zu können.
Hast du einen Tipp für deinen Nachfolger?
Der wertvollste Tipp, den ich Matthias geben kann: Pflege dein Netzwerk. Stelle sicher, dass du schnellstmöglich alle Stakeholder kennenlernst. Da gibt es Partner im Bevölkerungsschutz, politische Instanzen, dein Kader und etliche mehr. Lerne die Leute kennen und schätzen, dann hast du einen gewaltigen Vorsprung, um all deine Aufgaben effizient und effektiv wahrnehmen zu können.
Gibt es etwas, was du den Angehörigen der regionalen Zivilschutzorganisation auf den Weg geben möchtest?
Es hat mir grosse Freude bereitet, mich euch zusammenzuarbeiten. Ich habe den persönlichen Kontakt zu euch allen sehr geschätzt, viel von euch gelernt und gemeinsam haben wir viel erreicht. Danke für die gute Zeit
Vielen Dank für deine Zeit und alles Gute für deine Zukunft!
Das Antrittsinterview mit Joel Löpfe ist hier zu finden: Interview mit Joel Löpfe: «Zivilschützer werden in Zukunft multifunktionaler»
