Interview mit Joel Löpfe: «Zivilschützer werden in Zukunft multifunktionaler»

Der neue Zivilschutzkommandant Joel Löpfe sagt, wie er die Herausforderung des Unterbestandes der Truppe angehen will und wieso er sich eine stärkere Zusammenarbeit mit anderen RZSO vorstellen kann. Interview mit Fabian Muster

Du hast ursprünglich eine Lehre als Modeberater bei Bernheim absolviert, später kam die Berufsmaturität und ein Masterstudium in Angewandter Psychologie dazu. Warum bist du schliesslich beim Zivilschutz gelandet?

Das ist alles parallel gelaufen: Ich schloss 2009 die dreijährige Lehre im Bernheim ab; dort lernte ich Franco Giori als Kunden kennen. Im gleichen Alter wurde ich fürs Militär rekrutiert und rutschte dann in den Zivilschutz infolge gesundheitlicher Probleme. Im Beruf und im Zivilschutz bildete ich mich dann kontinuierlich weiter, bis sich die beiden Wege schlussendlich kreuzten und ich vollamtlicher Zivilschutz-Instruktor wurde: Bei der RZSO Olten war ich zuerst Soldat im Fachbereich Betreuung, dann Gruppenführer und schaffte es schliesslich bis zum stellvertretenden Kompaniekommandant. Je stärker ich Einblick hatte in den Zivilschutz, desto interessanter wurde es.

Du warst bisher im Zivilschutz als Instruktor tätig beim Zivilschutzzentrum in Balsthal. Warum hast du dich für den Job als Zivilschutzkommandant beworben?

Es gibt mehrere Gründe, wieso mich der Job interessierte: Generell mag ich es, ein Problem zu analysieren, ein Konzept zu erstellen und dieses dann umzusetzen. In der Ausbildung zum Instruktor erhielt ich zudem einen Einblick in viele Bereiche des Zivilschutzes. Mir gefiel, dass so viele Leute mit so unterschiedlichem beruflichen Hintergrund zusammenkamen: der eine ist Informatiker, der andere Bauarbeiter oder der dritte Psychotherapeut. Und viele von diesen Leuten, mit denen ich bisher zu tun hatte, kenne ich auch privat. Die Zusammenarbeit mit ebendiesen ganz unterschiedlichen Personen und ihren unterschiedlichen Ideen reizte mich besonders. Nicht zuletzt ist man als Zivilschutzkommandant nicht nur für die Ausbildung der Zivilschützer und die Stabsführung zuständig, sondern man ist auch im Austausch mit den Arbeitgebern der Zivilschützern, der Bevölkerungsschutzkommission und den 12 angeschlossenen Gemeinden der RZSO. Diese verschiedenen Ansprüche unter einen Hut zu bringen, hat mich gereizt

Mitte November fand die offizielle Kommandoübergabe von Franco Giori zu dir statt. Was wirst du zuerst angehen?

Derzeit läuft sehr Vieles schon sehr gut. Ich übernehme das Amt nicht mit dem Anspruch, alles zu verändern, sondern ich will die Organisation zuerst kennenlernen und erst dann entscheiden, was anders gemacht werden könnte oder was man neu dazunehmen müsste. Um konkret zu werden: Zusammen mit dem Kader möchte ich im Austausch feststellen, wo der Schuh genau drückt und danach einen Plan entwickeln, um auf diese verschiedensten Herausforderungen, welche auf uns zurück kommen, vorbereitet zu sein. Eine der wesentlichsten ist wohl die stark abnehmende Truppenzahl und der damit verbundene Verlust von Manpower und Wissen. Das möchte ich relativ zügig angehen

Was hat diese Entwicklung für die RZSO Olten für Folgen?

Man muss sicher mit weniger Zivilschützern ähnliche oder gleichbleibende Aufgaben wahrnehmen. Das heisst zum Beispiel, dass wir die Leute, die wir haben, befähigen müssen, mehr tun zu können im Sinne einer Verbreiterung der Einsatzmöglichkeiten. Die Zivilschützer werden also in Zukunft multifunktionaler

Was heisst das genau?

Beispielsweise könnte ein Betreuer vielleicht auch die Aufgabe eines Pioniers oder eines Angehörigen in der Führungsunterstützung übernehmen. Es gibt in meinen Augen Aufgaben, die jeder ausführen kann. Was das konkret heisst, ist jetzt zu analysieren. Ich stelle mir dabei unter anderem vor, dass ein Zivilschützer in mehreren Fachbereichen tätig sein könnte. Es gibt aber auch eine andere Möglichkeit.

Welche?

Ich könnte mir vorstellen, eine Gruppe von Zivilschützern für einen Ersteinsatz zusammen zu stellen, die dann bei Bedarf schneller vor Ort und in allen Bereichen ausgebildet sind.

Dass ein Zivilschützer in mehreren Fachbereichen tätig ist, könnte zu mehr Diensttage für den einzelnen führen und damit zu mehr Abwesenheiten bei den Arbeitgebern.

Nicht zwingend. Zum einen ist es gesetzlich neu sowieso vorgeschrieben, dass jeder Zivilschützer jährlich drei statt wie bisher zwei Diensttage leistet. Zum anderen können wir mit einer klugen Mehrjahresplanung verhindern, dass ein Zivilschützer in einem Jahr mehr Diensttage absolviert als bisher. Seine Ausbildung in verschiedenen Bereichen könnten so beispielsweise über vier bis fünf Jahre verteilt werden. Es ist mir persönlich auch ein grosses Anliegen, dass der Zivilschutz mit Arbeitgeber, Studium oder Freizeit in Einklang gebracht werden kann.

Könnte eine kleinere Truppe dazu führen, dass der Zivilschutz auch gewisse Dienstleistungen nicht mehr anbietet?

Den bisherigen Leistungsauftrag möchte ich Stand jetzt nicht in Frage stellen. Wir müssen uns mit unseren Partnern, etwa den Blaulichtorganisationen, absprechen, wie wir diese angehen wollen und auch aufzeigen, dass wir nicht alle Leistungsaufträge auf einmal erfüllen können. Das ist übrigens jetzt schon mit noch höherem Bestand schwierig. Auch bei den Einsätzen zugunsten der Gemeinschaft, die neu auch als Wiederholungskurse gelten, möchte ich keine Abstriche machen. Hier sollte es allerdings künftig möglich sein, noch einen Ausbildungsteil einzubauen, damit nicht nur die Gemeinden oder unsere Partner von solchen WKs profitieren, sondern auch die Zivilschützer und wir als Organisation

Welche weiteren Herausforderungen siehst du auf die RZSO Olten zukommen in den nächsten Jahren?

Der Klimawandel wird uns beschäftigen; auch gesellschaftlich und technologisch gibt’s Veränderungen, auf die wir reagieren müssen. Wir sollten uns daher regelmässig fragen, ob unsere Leistungsaufträge noch zeitgemäss sind oder die Aufgaben angepasst werden müssen.

Die RZSO umfasst dank mehrerer Fusionen die jetzige Grösse von 12 Gemeinden. Könntest du dir vorstellen, weitere Gemeinden in die RZSO aufzunehmen bzw. wäre eine Fusion mit der RZSO Niederamt denkbar?

Ich könnte mir das gut vorstellen. Aber vor einer solchen Fusion müsste man sicher die Vor- und Nachteile eingehend gemeinsam prüfen. Ich sehe allerdings auch eine andere Option: Künftig könnten wir die Zusammenarbeit zwischen den RZSOs stärker forcieren – das muss nicht nur mit den direkten Nachbarn wie dem Niederamt sein, sondern beispielsweise auch mit der RZSO Solothurn oder anderen Organisationen. Ich könnte mir eine Zusammenarbeit bei den WKs oder bei den Übungen vorstellen. So würden die Zivilschützer die Gegebenheiten, die Mannschaft sowie das Material in einer anderen RZSO kennen lernen, und es gäbe einen regen Austausch. Dadurch wären wir in der Lage, uns bei einem Ereignis gegenseitig effizient zu unterstützen. Dies funktioniert Stand heute ja zum Teil – etwa bei der Coronapandemie mit der RZSO Niederamt – schon gut.

Du trittst in grosse Fussstapfen: Dein Vorgänger Franco Giori war 25 Jahre Zivilschutzkommandant. Wirst du ihn um Rat fragen?

Franco hat mir zugesichert, mich bei Bedarf auch nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst zu unterstützen. Das ist schön, dass ich jemand in der Hinterhand habe, den ich um Rat fragen kann.

Was hast du für ein Führungsverständnis?

Ich sehe mich wie ein Kapitän in einer Sportmannschaft. Mir ist die Rolle jedes Zivilschützers in der RZSO mit seinen Stärken, Fähigkeiten und Verantwortlichkeiten bewusst. So gesehen habe ich den schönsten Job, weil ich die Leute miteinander vernetzen und auf eine gemeinsame Auftragserledigung hinführen kann. Klar ist auch, dass ich die flache Hierarchie, wie dies bisher schon unter Franco gehandhabt wurde, beibehalten möchte. Wichtig ist mir zudem eine offene Kommunikation mit dem Kader, den Zivilschützern und den weiteren Partnern. Ausserdem will ich klare Ziele und Aufträge vorgeben. Wie diese Vorgaben erreicht werden, dazu möchte ich den Leuten hingegen freie Hand lassen.

Als Zivilschutzkommandant ist man stark gefordert. Wie schaltest du vom beruflichen Alltag ab?

Ich gehe regelmässig ins Fitnessstudio oder spiele Eishockey, mache Sport allgemein. Dies hilft mir den Kopf zu verlüften; danach sieht die Welt wieder anders aus. Zuhause koche ich gerne mit meiner Freundin, zudem haben wir ein Haus mit Garten. Da komme ich auf andere Gedanken. Gerne unternehme ich auch Städtereisen oder verbringe Zeit in der Natur.